Uns fällt dazu spontan das Gleichnis vom barmherzigen Samariter ein. Da hilft einer, den es eigentlich nichts angeht, einem, dem keiner von denen hilft, die es eigentlich tun müssten. Und der, der hilft, tut es gründlich. Der leistet nicht nur Erste Hilfe, der bringt den Bedürftigen auch in Sicherheit und bezahlt auch noch dafür – einen dritten, damit der Geschädigte mit Sicherheit auch wirklich und endgültig wieder gesund wird. Und der kündigt sogar noch an, wieder zu kommen und nochmals zu helfen, wenn die Hilfe für den Moment nicht reichen sollte. Mehr geht ja wohl kaum. Und das alles, weil andere nicht helfen wollten oder – nicht sehen wollten.
Wir lernen daraus, dass wir helfen sollen ohne Ansehen der Person. Wir sollen nicht denken, dass vielleicht andere zuständig seien. Mir passt das gerade nicht, ich bin in Eile oder mir ist diese Person nicht smyphatisch, oder ich bin unsicher, ob ich das Richtige tue. Falsch ist nur, gar nichts zu tun. Zumindest kann ich Hilfe holen, wenn ich mich selbst in Gefahr begeben würde oder die Schwere der notwendigen Hilfe meine Fähigkeiten übersteigt.
Wir, ich oder du dürfen uns nicht aussuchen, welcher Mensch unsere Hilfe gerade braucht. Jeder Mensch, der uns begegnet oder dessen Unglück wir gerade sehen, ist unser Nächster.
Ich schiebe meine Verantwortung nicht auf andere weiter. Das ist Nächstenliebe, das ist wahre Barmherzigkeit. Denn vielleicht brauche ich selbst einmal Hilfe…
Die eben gemachten Aussagen sind klar und auch etwas hart. Aber ist das wirklich so einfach? Immerhin sind andere vorbei gegangen. Konnten oder wollten sie nicht helfen?
Würde ich helfen? Wie oft bin ich schon vorbei gegangen und warum? Ich gebe zu, manchmal fühlte ich mich überfordert, weil es mir selbst nicht so gut ging oder mir fehlte der Mut. Aber ich habe auch schon geholfen.
Wenn wir, ich oder du helfen, egal wieviel, wird eine große Freude unser Lohn sein. Gott hat in uns nicht nur eine Sehnsucht nach seiner Nähe gelegt. Er hat in die selbstlose Nächstenliebe auch eine unsichtbare, geistliche Kraft gelegt, die dich unwillkürlich erfasst, wenn du hilfst. Es ist eine Ahnung von der Kraft unseres himmlischen Vaters. In Worte fassen kann man das kaum. Aber am ehesten fühlt es sich an wie der Klang deines Herzens mit einer Melodie vom Himmel. Jesus spricht in der Bibel immer vom Lohn des Himmels.
Es geht bei Barmherzigkeit aber nicht nur darum, anderen zu helfen. Wir selbst sind hilfsbedürftig und angewiesen auf Gottes Barmherzigkeit. Er vergibt uns immer wieder unsere Sünden. Er hat immer wieder Erbarmen mit seinen Geschöpfen. Erbarmen bedeutet Barmherzigkeit.
Gnade und Barmherzigkeit
Die Bibelwissenschaftl unterscheidet Gnade und Barmherzigkeit unter Menschen und die Gnade und Barmherzigkeit Gottes. Für euch, liebe Leser, habe wir versucht, die Inhalte mit eigenen Worten und hoffentlich verständlich wieder zu geben als es die wissenschaftliche Beschreibung vermag.
Gnade / Barmherzigkeit unter Menschen
ist die Bereitschaft und Fähigkeit auf Situationen zufällig also spontan reagieren zu können aus Wertschätzung des oder der Mitmenschen.
Aus dieser Haltung resultiert die Fürsorglichkeit für Arme und Hilfsbedürftige. Gnade / Barmherzigkeit im Sinne der Weisheit ist kein Altruismus – Altruismus bedeutet Handeln unabhängig von Motiven.
Die Beschäftigung mit diesen Fachbegriffen hat uns bei diesem Thema zu einem noch tieferen Verständnis gebracht. Der Helfende erwartet nicht, dass seine Hilfe belohnt wird. Sonst könnte er in der Weise nicht helfen. Und derjenige, dem geholfen wird, kann es dem Helfenden nicht vergelten. Deswegen ist die Hilfe eine Gnade, ein Geschenk. Die Motivation ist Liebe. Deshalb sprachen wir vorhin davon, dass die Theorie, also dass das Wissen um fachliche Begriffe und deren Bedeutung durchaus hilfreich sein kann für ein weises Herz.
Im weiteren Sinne bedeutet es aber auch, dass allein die Beschäftigung mit der Heiligen Schrift nicht das Herz öffnet, wenn man dies nur um der Weisheit willen tut. Es macht vor Gott und den Menschen keinen Sinn, sonntags zur Heiligen Messe zu gehen, ohne mit dem Herzen dabei zu sein. Das wäre dann Pharisäertum. Frei nach der Devise – ich muss jetzt zur Kirche gehen und pünktlich sein(gesehen werden), darum kann ich jetzt gerade nicht helfen.
Barmherzigkeit fängt bereits da an, grundsätzlich in besonderer Weise hilfsbereit zu sein. Denn erst dadurch kann ich spontan und wirklich selbstlos helfen. Ich gehe praktisch schon mit diesem Vorhaben durchs Leben.
Gnade / Barmherzigkeit Gottes
Barmherzigkeit ist die Wesensart unseres Vaters im Himmel. Im Alten Testament ist oft von einem strengen und manchmal zornigen Gott die Rede. Im Neuen Testament dagegen lesen wir von der Gnade Gottes.
Sein gnädiges, also liebevolles Wesen gibt Gott den Menschen guten Willens und den Christen als Geschenk also als Gnade weiter. Deshalb kann auch der Samariter auf diese Weise helfen. Es war sein liebendes von Gott gegebenes Wesen, das ihn so zu helfen befähigte. Und weil der Mensch einen freien Willen hat, kann er sich entsprechend frei entscheiden, zu helfen oder vorbei zu gehen.
Aber Gottes Barmherzigkeit geht noch weiter. Er hilft damit den Menschen auch direkt durch seine Vergebung. Gott macht uns dadurch frei und fähig für wahre Barmherzigkeit, die nur von ihm kommen kann. Deshalb können wir anderen Menschen dienen und damit natürlich auch Gott. Denn wenn wir uns jetzt die geistigen und leiblichen Werke der Barmherzigkeit anschauen wird schnell klar, dass ein Mensch kaum in der Lage ist, von sich aus umfassend zu helfen. Barmherzigkeit ist damit nicht einfach nur Hilfsbereitschaft gegenüber dem Nächsten, sondern ein besonderer Liebesdienst. Und noch etwas weiter gedacht bedeutet genau das Jüngerschaft. Nachfolge Jesu aus tiefem konkreten Glauben.
Die Werke der Barmherzigkeit
Zur weiteren Vertiefung des Themas seien hier nun noch die Werke der Barmherzigkeit genannt und weitere Bibelstellen, die über Barmherzigkeit berichten.
Die leiblichen Werke sind:
- Hungrige speisen
- Durstigen zu trinken geben
- Fremde beherbergen
- Nackte kleiden
- Kranke pflegen
- Gefangene besuchen
- Tote bestatten Mt 25,35-40 (Einheitsübersetzung 2006) „Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mir Kleider gegeben. Ich war krank, und ihr habt mich besucht. Ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen.“
Die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit sind:
- Unwissende lehren
- Zweifelnde beraten
- Trauernde trösten
- Sünder zurechtweisen
- Beleidigern gern verzeihen
- Lästige geduldig ertragen
- Für Lebende und Verstorbene beten
und bedeuten Hilfe für Menschen, die geistig und geistlich arm sind.
Der Glaube der heidnischen Frau (Mt 15, 21-28 Einheitsübersetzung 2006)
Von dort zog sich Jesus in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurück. Da kam eine kanaanäische Frau aus jener Gegend zu ihm und rief: Hab’ Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! Meine Tochter wird von einem Dämonen gequält. Jesus aber gab ihr keine Antwort. Da traten seine Jünger zu ihm und baten: Befreie sie (von ihrer Sorge), denn sie schreit hinter uns her. Er antwortete: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt. Doch die Frau kam, fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, hilf mir! Er erwiderte: Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen. Da entgegnete sie: Ja, du hast recht, Herr! Aber selbst die Hunde bekommen
von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen. Darauf antwortete ihr Jesus: Frau, dein Glaube ist gross. Was du willst, soll geschehen. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt.
Die Jünger Jesu hatten um Hilfe für die Frau gebeten, jedoch vor allem, weil sie sich belästigt fühlten. Das war kein wahres Mitleid. Jesus lehnte ab. Die kanaanäische Frau hatte keinen Anspruch auf die Barmherzigkeit Jesu, da er zunächst nur zu den Kindern Israels gesandt war. Aber die Frau liess sich nicht abweisen, sie war demütig und hatte unendliches Vertrauen, welches stärker war als alle Gesetze. Als Jesus sah, zu welch’ großem Glauben sie fähig war, zeigte er echte Barmherzigkeit und heilte ihre Tochter, die von einem Dämonen gequält wurde. So wie damals dieser heidnischen Frau hat Jesus später allen Menschen, auch denen, die nicht aus dem auserwählten Volk stammten, das Tor zum Heil geöffnet und schenkt auch uns heute Gnade und Barmherzigkeit, wenn wir nur glauben und vertrauen.
Beten wir um lebendiges Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes. Dann dürfen wir ihn um alles bitten wie die Kinder ihren lieben Vater. Jesus selbst hat verheißen, dass unsere Gebete erhört werden.
Mt 11,28 (Einheitsübersetzung 2006): „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.“
Mt 7,7 (Einheitsübersetzung 2006): „Bittet, dann wird euch gegeben. Suchet, dann werdet ihr finden. Klopft an, dann wird euch geöffnet.“
Mt 5,7 (Einheitsübersetzung 2006): „Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden.“
Mk 11,24 (Einheitsübersetzung 2006): „Alles, worum ihr betet und bittet – glaubt nur, dass ihr es schon erhalten habt, dann wird es Euch zuteil.“
Joh 16,23 (Einheitsübersetzung 2006): „Ich sage euch, was ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er euch in meinem Namen geben.“